Visuelles Programmieren

Weil ich mich gerade intensiver mit der visuellen Programmierumgebung Snap! befasse (vgl. Künstliche Kunst), war ich sehr gespannt auf das LOG IN-Themenheft Visuelles Programmmieren. Konkret gibt es dazu sechs Artikel, so den Beginn einer Serie zum objektorientierten Programmieren mit SQUEAK/SMALLTALK (obwohl das momentan schon eher wieder ein Dasein am Rande fristet) von Rüdeger Baumann, die grafische Programmierung von Robotern mit GRAPE und AtoCC zur Erstellung von Zustandsübergangstabellen für die Simulation von Automaten. Für mich sind interessenbedingt die beiden Artikel von Eckart Modrow zu Snap! am ergiebigsten. Was fehlt, sind Einschätzungen und Beispiele zu den spannenden Entwicklungen rund um Scratch, App Inventor, Blockly, BeetleBlocks und und und … Da wäre in einem Doppelheft mehr zum Themenschwerpunkt nötig und möglich gewesen.
rosette
Am spannendsten bleibt am Ende für mich der einleitende Artikel von Bernhard Koerber über eine kleine Geschichte der Programmiersprachen in der Schule: Haben Sie noch ELAN? Darin beschreibt er kenntnisreich und detailliert die Diskussionen darüber, inwieweit das Programmieren überhaupt zur Allgemeinbildung gehöre und wenn ja, welche Programmiersprache denn am besten dafür in Frage käme seit den 60er-Jahren bis heute. Obwohl kein Informatiker, habe ich diese Diskussionen als Unterrichtstechnologe und Mediendidaktiker, dem es u.a. um die Nutzung des Computers (bzw. allgemein der digitalen Medien) als Werkzeug zum Problemlösen im (naturwissenschaftlichen) Fachunterricht ging, sehr wohl verfolgt und miterlebt.

Bei der Entwicklung unterschiedlicher Anwendungen für den Unterricht habe ich etliche Stationen, die er beschreibt, selbst aktiv miterlebt. Angefangen habe ich mit FORTRAN, dann auch ALGOL, natürlich auch viel mit BASIC, schließlich Pascal, projektbedingt sogar mit der in der Artikelüberschrift erwähnten Ausbildungssprache ELAN. Begeistert war ich auch von HyperCard und bereits früh kam dazu auch die Beschäftigung mit Logo in verschiedenen Versionen. An diese Erfahrung knüpfe ich derzeit mit Snap! wieder an.

Koerber zeigt in seinem Artikel, dass der erbitterte Streit nur vordergründig um die beste Programmiersprache für die Schule ging (es gab sogar einen AK Schulsprache zum Design einer Programmiersprache speziell für die Schule!). Letztlich ging es um die Frage, ob und wann es Sinn macht, über das Programmieren schrittweise tiefere Einsichten in die Informatik zu gewinnen.

Ich glaube, nicht zuletzt aufgrund meines eigenen Zugangs zum Programmieren, dass es notwendig ist und dass möglichst früh damit begonnen werden sollte. Nicht, um zukünftige Programmierer heran zu bilden, sondern um zentrale Konzepte kennen zu lernen, was dazu beiträgt die informatisch geprägte Umwelt besser zu verstehen und mündig mit digitalen Medien umzugehen. Mit den visuellen Programmierumgebungen Scratch und deren Abkömmlingen stehen die geeigneten Werkzeuge zur Verfügung. Konzeptionell sind sie den üblichen textbasierten Systemen ebenbürtig und der Übergang zum „richtigen“ Programmieren mit solchen Sprachen im schulischen Kontext eigentlich nicht notwendig (Modrow, im LOG IN Heft, S. 137).

Wenn dann wie bei GP (steht für General Purpose und ist eine neue visuelle Programmierumgebung) über einen Schieber zwischen visueller und textlicher Repräsentation gewechselt werden kann, wird denjenigen, die nur dann von einer „richtigen“ Programmiersprache sprechen, wenn sie textbasiert ist, wohl viel Wind aus den Segeln genommen.

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