In einem Beitrag zum Zukunftsdialog habe ich meine Probleme mit dem Prozess geschildert. Heute nun Anmerkungen zur inhaltlichen Arbeit in der AG “Digitale Kompetenzen” (mit einem etwas unglücklichen Namen, schließlich sind ja nicht die Kompetenzen digital, sondern es geht um Kompetenzen beim Umgang mit/bei der Nutzung von digitalen Medien), zu der ich gehörte. Diese AG hat schließlich vier Hauptvorschläge und insgesamt 17 Einzelvorschläge erarbeitet (zum leichteren Verständnis des Folgenden empfehle ich die Seiten 438-463 der Langfassung des Ergebnisberichts):
Grundidee der Vorschläge unserer Arbeitsgruppe ist die nachhaltige Verankerung von Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien in der Gesellschaft. Es geht vor allem um die Definition von Medienkompetenzen, die nachhaltige institutionelle Etablierung des Themas, die Schaffung eines dauerhaften Rahmens für die kontinuierliche Umsetzung und darin eingebettete konkrete Einzelvorschläge.
- Kompetenz-Standards im Umgang mit digitalen Medien
- Rat für Digitale Medien und Medienkompetenz
- Der Medienbildungspakt
- Gemeinsame Infrastrukturen
Probleme: Meines Erachtens geht es beim Thema “Wie wollen wir lernen” doch darum, wie Lernende (aller Altersgruppen) sich zukünftige Formen des Lernens vorstellen und damit in der AG um die Frage, wie dies mit digitalen Medien aussehen kann und wird. Die Konzentration auf eine eher klassische Medienbildung und Definition der Medienkompetenz scheint mir einseitig und an aktuellen Entwicklungen vorbei zu gehen. Bei den Haupt-vorschlägen der AG frage ich mich, welche Maßnahmen daraus folgen sollen und mit welchem Zeithorizont. Ganz konkret: Wie groß, wie international soll der Rat für Digitale Medien und Medienkompetenz denn werden? Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass in zeitnahem Abstand ein solches Gremium eingerichtet werden kann, von ihm kurzfristig ein strategisches Gesamtkonzept vorgelegt wird und dieses dann von den betroffenen/angesprochenen Einrichtungen und Personen zügig umgesetzt wird.
Der Medienbildungspakt klingt konkreter. Allerdings wird auch damit zunächst nur ein weiterer Organisationsrahmen geschaffen, der vermutlich ebenfalls erst mit längerem Zeithorizont zu konkreten Ergebnissen kommen kann. Dazu sollen “alle relevanten Akteure ins Boot geholt werden: Bund, Länder und Kommunen, die Bildungsbereiche, die Wissenschaft, die Politik, Fachverbände und Facheinrichtungen, Medienanstalten und Medienwirtschaft, Industrie- und Handelskammern, Arbeitsagenturen, die Gewerkschaften, die Kirchen etc. Auch gilt es, sich mit Aktivitäten und Programmen der Europäischen Kommission zu vernetzen”. Das sind die etablierten Akteure, von denen natürlich niemand vergrätzt werden soll; aber ob ein solches Monstergremium konkrete Maßnahmen anschieben kann, scheint mir mehr als fraglich.
Mir sind die Vorschläge insgesamt zu sehr Top-Down ausgefallen: Die Definition, Sammlung und Fortschreibung von Standards der Medienkompetenz soll vom Rat für Digitale Medien und Medienkompetenz geleistet werden; Medienbildung soll nachhaltig institutionell etabliert werden, vor allem über die verbindliche Verankerung der Medienbildung in der Lehrerbildung. Das Andocken an Initiativen offener Bildungsressourcen (dazu zähle ich die, die sich mit Open Access/Open Content, Lernmitteldatenbanken und Portalen befassen) fällt dagegen stiefmütterlich aus.
Ist das, wie wir lernen wollen? Orientiert an Standards des Rats für Digitale Medien, betreut von “nachhaltig qualizierten pädagogischen Fachkräften”, das Ganze gefördert von einer Bundesstiftung Medienbildung, umgesetzt von einer Bundesakademie für Zukunftsfähigkeit? Für mich stehen dagegen eher neue Formen orts- und zeitunabhängigen, aber auch zertifikatsunabhängigen Lernens im Vordergrund. Ermöglicht wird dies durch aktuelle Entwicklungen: Im technischen Bereich (Verfügbarkeit von Tablets, Smartphones usw. für mobiles Lernen), durch sich verändernde Publikationsstrategien (Open Access, Open Science) und neue offene Bildungsangebote (Open Content, MOOCs usw.). Einige Vorschläge im Bürgerdialog gingen übrigens durchaus in diese Richtung.
So bleibt der Bericht weitgehend stehen bei der Bündelung und Fortschreibung des Vorhandenen, bei der Etablierung neuer Strukturen (Rat, Pakt, Akademie) und der Konzentration auf die etablierte Medienbildung. Es fehlen die mutigen, unkonventionellen, der digitalen Welt angemessenen Schritte zu neuen Formen des Lernens und Lehrens. Ich fürchte, in ein, zwei Jahren werden die wenigsten Vorschläge weiter verfolgt oder gar umgesetzt sein und wir werden weiter darauf warten, dass die Bildungspolitik adäquat auf die fortdauernden Veränderungen in der digitalen Medienlandschaft reagieren wird.